Wikipedia berichtet, dass das Unternehmen Polaroid seit dem Jahr 2008 die Produktion der “Polaroid-Sofortbildkamera” eingestellt habe, um sich auf den zeitgenössischen Markt der Digitalfotografie zu konzentrieren. Nun ist es so, dass Polaroid mit den weiß-umrandeten sog. “Trennfilmbildern”, die millionenfach durch die Wohnzimmer dieser Welt sichtbar gewedelt wurden (“Kann man schon etwas sehen?”) seit Mitte der 60er Jahre eine Gattung und ein demokratisiertes Konsumgut geschaffen hatte. Unter dem Markennamen entstand eine übergreifende Begrifflichkeit und ein Festtags- und dennoch Alltagsutensil für breite Bevölkerungsschichten (Einheitspreis: 79 DM).
Beschaut man sich deutsche Wochenmagazine der 70er Jahre, so wirbt Polaroid großflächigst und zuverlässig in den sechs Wochen vor dem Weihnachtsfest. Selbst Hansjörg Felmy (Tatort-Kommissar Haferkamp), ein Schauspielstar der 70er Jahre, wurde als Testimonial herangezogen:
Kann es sich eine Marke erlauben, ihr Geburtsprodukt vollständig abzuschaffen? Definiert nicht die Leistungsgeschichte einer Marke bestimmte “Grundideen” und “kategorische Produkte”. Denn erst diese geben einer Marke eine klare Verpolung – machen eine Marke zu einem Träger “Positiver Vorurteile“. Wird dies nicht berücksichtigt, gehen Marken in den komplexen Warenmärkten unter … denn sie stehen für nichts mehr (ein). Sicher, Marken sind keine statischen Systeme … sie reproduzieren sich bestenfalls nicht identisch, sondern – wie jedes lebende System – selbstähnlich. Im Rahmen der Selbstähnlichkeit gilt es, bestimmte charakteristische (und konkrete) Bausteine des Markensystems auf “typische” Art und Weise zu reproduzieren.
Zwei Jahre nach der Einstellung der Sofortbildkamera scheint dies auch der Eindruck des Polaroid-Managements zu sein: Das System “Sofortbild” kehrt zurück. Gerade in Zeiten in denen sich Digitalkameras technisch wie gestalterisch kaum noch unterscheiden, besetzt die Marke einen Nischenmarkt, der auf die Gesamtwahrnehmung (also auch die angebotenen Digitalkameras der Marke Polaroid) marken- und aufmerksamkeitsgenerierend reflektiert.
Wichtig:Es geht hier eben nicht um simples “Retro” – kaum ein Mensch würde die oben gezeigten Modelle kaufen … sie sind ästhetisch und technisch veraltet. Vielmehr agiert Polaroid im Rahmen der Selbstähnlichkeit. Bestimmte Merkmale der Marke werden “typisch”, aber “zeitgenössisch” interpretiert und schaffen derartig ein unverwechselbares Produkt. Das Resultat wird spätestens zum Weihnachtsgeschäft 2010 in so manchem Schaufenster zu sehen sein:
Dass man allerdings Lady Gaga als Werbefigur und “Creative Director” verpflichtet hat, zeigt das man es mit der Selbstähnlichkeit nicht vollständig verstanden hat … es ist ein weiter weg von Felmy zu Gaga …
Polaroid is back! Als Kind der 70er kann man diese Nachricht nur lieben, obwohl auch die sich dem Ende zuneigende Reserve der Filme etwas hatte (“Wo habt ihr denn die Polaroids noch her?”)
Nun also Lady Gaga. Was soll man davon halten? Sicher ist, die gewünschte (kurzfristige) Aufmerksamkeit hat die Präsentation dieser Zusammenarbeit auf der CES 2010 gewiss hervorgebracht: Lauter aufgeregte Männer in Anzügen und eine Lady mit gefranztem weißem XXL-Strohteller auf dem Schädel. Nun ja. Es lässt sich hören: Alle Betieligten sind stolz, stolz, stolz darauf. Richtig ist aber auch, dass kein einziges Produkt der Marke in diesem Blitzlichtgewitter in Erscheinung trat. Werbefigur überlagert Produkt: bekannter Fehler.
Man darf gespannt sein, wie die intellektuelle Randgruppe darauf reagiert. Ein Polaroid ist teuer, einmalig und hält die Momente fest, wenn die Bohème sich selber feiert (cologne 09). Gaga, wer glaubt, billig und schrill wäre das gleiche.