Kunde und Werbeagentur machen sich bei einem Meeting Gedanken …
Kunde: “Wir müssen unseren Anteil im Retail-Geschäft erhöhen. Beschaut man sich die Anteile der Privatbanken und der Sparkassen und Raiffeisenbanken liegt hier noch ein großes Potenzial. Wie könnte dies gelingen?”
Agentur: “Indem wir ihre Leistung verschleudern und potentiellen Kunden Geschenke machen und dabei vergessen, wofür die Marke eigentlich steht.”
Nein, ganz so wird es natürlich nicht gelaufen sein als die Werber von kempertrautmann und die Marketingebene von comdirect inhaltlich hart gearbeitet haben. Die dargereichten “Targets” (“Direkt vom Vorstand”) und die argumentative Aufbereitung im Rahmen einer exzellenten Powerpoint-Präsentation wird diese “Strategie” eben nicht derartig verbalisiert haben. Jedoch: Das reale Ergebnis suggeriert diese Arbeitsweise.
comdireckt wirbt in diesen Tagen großflächig bei den einschlägigen Stadtmöblierern mit dem Claim” 50 € wenn Sie uns mögen. 100 € wenn nicht.” Was für ein markenstrategisches Armutszeugnis! Was für ein kurzfristiges Zielrealisierungs-Gehampel mit weitreichenden Folgen für die Marke! Was für ein billiges Effektmarketing, dass ansonsten nur die Resterampen am Stadtrand kennen! In Hamburg gibt es unter Kaufmännern das schöne Sprichwort: “Billig kann jeder.” comdirect ist allerdings nicht jeder. comdirect ist die Tochter einer renommierten Bank, die auf eine lange, meist ruhmreiche Geschichte zurück blickt und im Rahmen der Finanzkrise zwar ordentlich durchgerüttelt wurde (und wird), aber sämtliche ihrer Kunden auch in diesen Zeiten kompetent und vertrauensvoll bedient hat. Und nun das! Getrieben (wahrscheinlich) von dem Ziel, den Retailanteil im Zehntelbereich anzuheben, scheint jedes Mittel möglich, um Menschen für das Unternehmen zu gewinnen. Das Problem ist nur: Konsumenten sind keine Kunden! Und Schnäppchenjäger sind schon gar keine Kundschaft! Wie so oft scheint das Marketing allein an kurzfristigen Effekten interessiert, die schnell vorzeigbar sind. Marken sind allerdings keine Schnellkochtöpfe. Marken geben eigene Ge- und Verbotszusammenhänge vor, die konstituierend für ihre individuelle Existenz sind. Eine der größten Fehlannahmen des Marketings ist, dass Marken über die (in diesem Fall bedingungslose) Anziehung von Neukunden wächst … nein, Marken wachsen immer von “innen” nach “außen”. Über gute und vertrauensvolle Erfahrungen entsteht ein “Positives Vorurteil”, das sich im Markt verbreitet. Die dann kommenden Interessenten folgen dem “Ruf” einer Marke und tragen das Potenzial in sich, von Konsumenten zu wahren Kunden der Marke zu werden. Ja, das nimmt Zeit in Anspruch. comdirect versucht erst gar nicht Kunden zu gewinnen – hier geht es allein um Konsumenten, die ebenso flüchtig sind wie zahlreiche Leistungsträger in den Marketingebenen ruhmreicher Unternehmen. Meist wird das Argument vorgebracht, dass die Direktbanken aggressiver als ihre Mütter sein können/sollten. In der Tat: Commerzbank und comdirect sind zwei Marken – allerdings eint sie eine Geschichte. comdirect ist deshalb für viele Menschen attraktiv, weil ein renommiertes Stammhaus hinter der Marke steht. Wer als Tochter den Ruf einer ganzen Famlie auf´s Spiel setzt, indem er um Aufmerksamkeit bettelt (und als Bank Geld verschenkt!!!), hat die kollektive Dynamik von Markensystemen nicht verstanden und betrachtet Marken allenfalls als “Logos”. Marken sind Vertrauenssysteme … das Gegenteil evoziert die vorliegende Werbung. Hier handelt eine Bank wie auf einem Basar, einem schlechten Basar.
Es ist schon erstaunlich, dass Menschen auf Basis derartiger Wertvernichtung ein Honorar erhalten … wahrscheinlich kommt das davon, wenn man nur “auf” Marken und nicht “in” ihnen arbeitet.
Sehr gut auf den Punkt gebracht: Nur “auf” Marken, anstatt “in” ihnen arbeiten.