Marke absurd: Lancia Thema ist ein Chrysler 300 C

Die Marke Lancia ist eine italienische Traditionsmarke (seit 1906), die innerhalb der Marken des Fiat-Konzerns durch besonders extravagantes Fahrzeugdesign besticht. Lancia Thesis, Lancia Musa oder Lancia Ypsilon sind junge Beispiele für ein Fahrzeugdesign, welches von der Karosserieform bis zu den verwendeten Materialien im Innenraum für italienischen Stil, Handwerkskunst und eine avantgardistische Linienführung steht. Bei Lancia gab es feines Leder und luxuriöse Innenausstattungen für Kleinstwagen, lange bevor andere Hersteller solche Ideen hatten. Die US-Traditionsmarke Chrysler existiert seit 1925 und ist in Europa vor der medienträchtigen Fusion mit Daimler-Benz (jetzt Daimler) nur durch den Minivan Chrysler Voyager positiv aufgefallen – ein Fahrzeug-Segment, welches Chrysler in den 1980er Jahren maßgeblich mitbegründete (gemeinsam mit Renault). Seit 2009 gehören Chrysler und die Fiat-Gruppe zusammen, Fiat hat die Mehrheit an der Chrysler Group übernommen. Die schwächelnden Marken Chrysler und Lancia werden als direkte Folge davon zusammengelegt, die Marke Chrysler wird seit Juni/Juli 2011 offiziell nicht mehr in Europa verkauft (die erfolgreichere Chrysler-Marke Jeep bleibt dagegen bestehen).

Bei Lancia wird auf der Website offensiv dafür geworben, wie jetzt das Beste aus europäischer und US-amerikanischer Autobaukunst zusammenkommt: The NEW LANCIA EXPERIENCE (http://www.lanciachryslerexperience.com/default.aspx). Auf der Website von Chrysler erfährt der Interessierte: “Aus zwei Wegen wird jetzt einer”. Als erstes Ergebnis des Weges wird in Kürze der NEW LANCIA THEMA vorgestellt, ein Wagen der dem Chrysler 300 sehr ähnelt bzw. einer ist, aber – von außen – keinerlei Anbindung an irgendeinen Lancia erkennen lässt. In Amerika wird es weiterhin Chrysler-Fahrzeuge geben, in Europa sollen weiterhin Lancias über die Straßen rollen. Auf Wikipedia wird der Markenchef von Chrysler/Lancia Olivier Francois zitiert, demnach muss Lancia/Chrysler gesehen werden “wie eine Marke, deren Name in Europa und den USA anders ausgesprochen wird”. So einfach ist es leider nicht.

Chrysler Lancia NEW THEMADer neue Lancia Thema: Erkennbar am Symbol, leider nur am Symbol.

Wer Marken fusioniert muss Kundschaften fusionieren

Bewusst sollen an dieser Stelle keine Spekulationen über strategische und wirtschaftliche Hintergründe sowie Plattformstrategien stattfinden, aber es soll klar gesagt werden, dass die entscheidende markentechnische Aufgabe bei Fusionen darin besteht, zwei Kundschaften unter einem Hut zu versammeln. Das 1 und 1 nie automatisch 1 ergibt ist klar, aber bei zwei so diametral unterschiedlichen Marken? Bullige Chryslers und filigrane Lancias? Hier wurde keine Entscheidung für oder gegen eine Marke getroffen: Es soll eine eierlegende Marketing-Wollmilchsau entstehen (wieder mal), die es allen Kundschaften auf allen Seiten vom großen Teich rechtmacht. Das kann so nicht funktionieren. Marke ist Bekenntnis – Eine gute Markenberatung erarbeitet die Grundlagen der Spezifik. Es ist ja auch beim ersten Wurf optisch eindeutig ein Chrysler herausgekommen – und das, wo eine der zwei Marken ein besonders kräftiges positives Vorurteil im Bereich Design verankert hat.

Kleiner Tipp: Chrysler ist es nicht. Wenn ernsthaft “Das Beste aus zwei Welten” erreicht werden sollte, so müssten die Fragen lauten:

  • Was gibt es für Positive Marken-Vorurteile über Chrysler?
  • Was gibt es für Positive Marken-Vorurteile über Lancia?
  • Gibt es irgendwelche Schnittmengen zwischen beiden Marken?
  • Gibt es Möglichkeiten, einzelne Marken-Kompetenzen logisch und nachvollziehbar zu vereinigen?
Ansonsten gilt: Zwei Leistungen sind immer zwei Marken. Nicht eine Leistung ist jetzt zwei Marken – das versteht kein Mensch. Leider ist Marke auch im 21. Jahrhundert immer noch mehr als ein Logo (bzw. zwei Logos) auf einer Kühlerhaube.

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