Die Allianz – Ein Traum wird wahr: Seit Jahren empfiehlt das Büro für Markenentwicklung den Unternehmen, sich ihrer Historie für die Markenstärkung zu bedienen. Viele Unternehmen sind es gewohnt, Marken nur im Hier-und-Jetzt zu betrachten und die Entwicklung einer Marke höchstens als Materialsammlung für die ersten Seiten einer Unternehmensbroschüre bzw. für das Erstellen einer Chronik zum Firmenjubiläum zu nutzen. Dabei sollten sich Kommunikationsprofis darüber bewusst sein, dass gerade die Werbeinhalte der 70er und 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts auf eine Öffentlichkeit trafen, die Werbung noch nicht als Dauerberieselung wahrnahm. Im Resultat sind gerade die Werbespots und Werbeslogans dieser Zeit fest in das kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation fest eingewoben: Damals erreichte Werbung kaum segregierte Massen … Fernsehen wurde noch im Familienverband geschaut und Samstagabendshows erreichten tatsächlich noch “das deutsche Wohnzimmer” … Zustände von denen Werber heute nur noch verzückt träumen können. Gerade weil Werbung kaum noch erreicht, versuchen die sog. Werbeprofis durch den genauen Zuschnitt und die stilistische Anpassung der zu erreichenden Zielgruppen eine irgendwie marginale Resonanz zu erzeugen – über das Ergebnis mag jeder selbst urteilen.
Mercedes-Benz und Doutzen Kroes
Einige Fakten zum Mercedes-Benz GLC Hybrid (Auswahl):
Verbrauch bei 2,6 Litern (Normwert), was einem CO2-Ausstoß von 60 g/km entspricht
Stoffliche Recyclingfähigkeit von 85 Prozent und Verwertbarkeit von 95 Prozent (Berechnungsmodell nach ISO 22628).
Air-Body-Control
9G-TRONIC
Dynamic-Select
Head-Up-Display
Offroad-Technik-Paket (4-Gelände-Fahrmodi)
Aktive Einparkhilfe
Vier Betriebsarten des Hybrid-Modells:
Hybrid: Sämtliche Hybrid-Funktionen sind verfügbar (Elektrobetrieb, Boost, Remuneration), sämtliche Funktionen kommen verbrauchsoptimiert zum Einsatz.
E-Mode: Ausschließlich elektrisches Fahren – z.B. Innenstädte, weil der Akku für die verbleibende Strecke ausreichend geladen ist.
E-Save: Der Ladezustand bleibt erhalten – etwa weil später elektrisch gefahren werden soll.
Charge: Lädt den Akku während der Fahrt durch den Verbrennungsmotor, um später rein elektrisch zu fahren.
Was davon steht in dieser Anzeige?
Nichts.
Dafür: Hybrid by nature. Der neue GLC und Doutzen Kroes, inszeniert von Carlyne Cerf de Dudzeele.
Welche von den hier genannten Aussagen interessiert potentielle Käufer eines GLC Hybrid?
“Das Beste oder nichts” lautet der Claim von Mercedes-Benz. In dieser Logik wäre das Beste an einem Mercedes-Benz Doutzen Kroes (inszeniert von Carlyne Cerf de Dudzeele), sie steht gut sichtbar auf dem Auto und ist als ein Blickfang inszeniert. Eine Marke lebt davon, dass sie in ihrer Kommunikation aus ihrem eigenen Fundus schöpft. Der Fundus, aus dem die Marke Mercedes-Benz als Erfinder des Automobils schöpfen kann, ist der umfassendste Fundus aller Automarken. Diese Marke stellt 2015 einen Plug-In-Hybrid vor, der – obwohl es sich um einen SUV (Sports Utility Vehicle) handelt – sich verbrauchsarm fortbewegen kann. Eine anspruchsvolle technische Leistung. Auch im Juli 2015 geht kein Mensch nach Hause und sagt zu seinem(r) Partner(in): Du, ich habe da so eine tolle Anzeige mit einem sexy Model gesehen, lass uns bitte unbedingt mal den Wagen, der unter ihr steht Probefahren!” Diese Logik ist falsch. Ebenso wie der Einwand: “Wieso? Es handelt sich um dabei doch reine Imagewerbung…” Auch und gerade im 21. Jahrhundert sollte keine Marke der Welt ihr teuer verdientes Geld ausgeben für eine reine Imagekampagne – das Geld wäre in jedem SOS-Kinderdorf viel besser angelegt. Awareness ist kein Kaufimpuls: Eine Marke, der es nicht mehr wert ist, über ihr eigenes Produkt, ihre eigene Leistung zu berichten, stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus (siehe auch Jurassic Park). Eine weltweit für ihre einmaligen Leistungen hoch angesehene Marke, die als Zugpferd ein bekanntes Modell benötigt, obwohl sie durchaus etwas von sich selbst zu berichten hätte (z.B. siehe oben), stellt eine Marken-Tragödie dar. Jeder Markenerfolg fußt auf Leistungen, das Bewusstsein für diese konkreten Leistungen muss immer wieder geschärft werden.
Selbstähnliche Markenführung: Prinzen Rolle
Der Markensoziologe bezeichnet das Archiv als “Waffenkammer des Unternehmens”: Dort wo normalerweise alte Unterlagen und alte Mitarbeiter abgelegt werden, befindet sich massenweise kostenloses Kunden-Kaufaktivierungs- und Werbematerial. Meist wird bedauerlicherweise nur zum 10- oder 100-jährigen Betriebsjubiläum irgendjemand zum ernsthaften Suchen/Recherchieren ins Archiv gesendet, weil man ein Sonderheft oder eine Firmenchronik publizieren möchte oder die Mitarbeiterzeitung mal ein paar schöne Schwarz-Weiß-Bilderchen zum Füllen oder Gegenüberstellen Hauptgebäude alt/neu braucht. Dies ist auch per se überhaupt nicht verwerflich, im Gegenteil: Die Historie einer Unternehmung birgt intern höchstes Identifikationspotential und somit soziales Bindungspotential für die gesamte Mitarbeiterschaft.
Mercedes-Benz und Jurassic Park
Es gibt Momente im Leben, da schämt man sich fremd. Gehäuft passiert es seit Einführung des Privatfernsehens. Meist schämt man sich für wildfremde Menschen, die ein Benehmen an den Tag legen, welches einem selbst äußerst peinlich wäre. Wer sich beruflich mit Marken auseinandersetzt, der kennt zusätzlich ein Gefühl der Scham, wenn er mit ansehen muss, was manche Menschen dem Sozial- und Wirtschaftskörper Marke antun. Marken sind die Grundlage jeder funktionierenden Volkswirtschaft, wer eine Marke bzw. ihren guten Ruf mutwillig schädigt, schädigt einen Wert, der in Euros allein nicht zu beziffern sind. Daher paart sich Scham oftmals mit einer ohnmächtigen Wut, weil für das Geld, welches z.B. in eine völlig sinnlose oder gar kontraproduktive Werbekampagne investiert wurde, ganze SOS-Kindermetropolen über Jahre problemlos aber vor allem sinnvoll finanziert werden könnten. Schreiben wir also über Jurassic Park, Pardon, Mercedes-Benz.
Markenberater als Anwalt der Marke
Es ist nicht leicht Markenberater zu sein … nein, es ist ganz leicht Markenberater zu sein: Ein dreimonatiges Praktikum im Brand- oder Product-Management, eine Ausbildung zum Grafiker oder ein Tagesseminar “Markenführung” (mit Zertifikat) macht viele Menschen glauben, dass man etwas von “Marke” verstünde. Der Markt der Anbieter, die sich als Markenberatung bezeichnen scheint (googelt man die Angebote im Internet), sich tageweise zu vervielfachen … Werbeagenturen integrieren mit viel Schwung eine “Brand Unit” im Bereich der “Strategischen Planung” und geben der “Kreation” das nötige, inhaltliche Futter, um die “Lösung” möglichst eingängig zu verkaufen. Markenführungs- und Brandingkompetenz gehören gewissermaßen zum guten Ton. Es ist ja auch ein ehrbarer Gedanke und eine schöne Geste, wenn man die Kommunikation nicht dem Zufall, sondern einem analytischen Unterbau überlässt. Und dennoch: Sehr selten ist das, was als Marken-Know-how angeboten wird, substantiell verankert.
Markenführung VW: Es ist ein Beetle
Markenführung im Alltag: Zwei Straßen entfernt von meiner Wohnung hat vor drei Monaten ein kleiner Kiosk aufgemacht, indem es Süßigkeiten, Getränke und Zeitschriften zu erwerben gibt. Ziemlich unauffällig soweit, ein völlig normaler Großstadtkiosk eben. Solange bis ich das erste Mal das neue Namensschild über der Tür vom Laden erblickte, dort stand in großen Lettern geschrieben: “Kult-Kiosk”. Ich musste kräftig schmunzeln, denn dies ist aus Markenperspektive eine Verwechslung bzw. eine absurde Umkehrung des Ursache-Wirkungs-Prinzips, welches jeder gesunden Leistungs- und damit Markenbildung zu Grunde liegt. Selbstverständlich kann ein Kiosk zu einem echten “Kult-Kiosk” werden: Aber die Ursache dafür, dass die Anwohner bzw. bei starker Markenbildung im Anschluss auch Bewohner anderer Stadteile oder sogar Touristen zu einem bestimmten Büdchen pilgern, liegt allein darin begründet, dass dieses Geschäft irgendetwas einzigartig und somit anders macht als alle anderen – und dass es diese Kultur der Einzigartigkeit über viele Jahre pflegt und damit kontinuierlich Kundschaft gewinnt, die genau diese Leistung zu schätzen weiß. Das können Dinge sein wie lange Öffnungszeiten, bestimmtes Personal, besondere Produkte, seltene Zeitschriften etc. Die Ursachen für die Beliebtheit und Attraktivität können in jedem Bereich der Unternehmung liegen. Entscheidend ist: Die Entscheidung, ob eine spezifische Leistung zum “Kult” innerhalb der Kundschaft reift, wahrgenommen und weitererzählt wird, liegt allein in der Kundschaft. Allein sie kann darüber entscheiden, ob eine Markenleistung zum Kult wird oder eben nicht. Ansonsten würde jeder Anbieter der Welt von jedem seiner Produkte behaupten: Dieses Produkt oder diese Dienstleistung ist Kult. Punkt. (Sofort kaufen).
Eine Straße entfernt von meiner Wohnung bot sich mir vor einigen Tagen dieses Bild:
Verordneter Kult um die Marke VW
Ich hielt es zunächst für einen bedauernswerten Einzelfall, sah dann aber einige “The Beetle”-Fahrzeuge mit dem Schriftzug “Käfer” auf dem Heck. Ich recherchierte auf der Volkswagen-Website und fand heraus, dass es sich nicht um eine serienmäßige Ausstattung (immerhin), sondern um eine Zusatzoption für 52,00 EUR handelt. Nun zeigt neben der Lifestyle-Positionierung schon die offizielle Modell-Namenswahl “The Beetle” völliges Unverständnis bei VW für stringente Markenführung bzw. ein Beispiel für falsch verstandene Globalisierung, indem eine urdeutsche Marke sich an einem US-Spitznamen für ihre Modellbezeichnung orientiert, jedoch dieses Detail bringt die absurde (Marken-) Logik auf den Punkt: Als Hersteller eines Kultproduktes noch den Namen des Kultproduktes als Schriftzug werksseitig anzubieten, zeugt wahlweise davon, dass man sich der Erkennbarkeit und Authentizität seines eigenen Angebotes nicht mehr sicher ist (Hier ist der Beweis, es ist tatsächlich ein echter Käfer!) oder der Kundschaft ihre eigene Willens- und Entscheidungsfreiheit zur Kult- und Mythenbildung abspricht bzw. die individuelle Wahlfreiheit, ob dieser VW “The Beetle” noch als Beetle oder Käfer nicht akzeptiert wird. Das Gegenteil von Kundenorientierung – so klingt “Kult” von oben verordnet. VW äußert sich folgendermaßen zu dem Schriftzug (Zitat: Website Volkswagen, Abruf 12.05.2015):
“Ob als Vocho, Fusca oder Coccinelle: Den Käfer kennt und liebt man auf der ganzen Welt. Nicht zuletzt, weil seine Formen eine klare Sprache sprechen, die einfach jeder versteht. Und auch wenn wir ihn offiziell als den „Beetle“ bezeichnen, hat sich in jedem Land längst ein eigener Spitzname durchgesetzt. Den trägt er jetzt mit dem optionalen Heckschriftzug stolz zur Schau – natürlich in Ihrer Sprache.”
Das Marketing der Marke arbeitet intensiv mit dem Marken-Kultcharakter und zerstört ihn durch exakt diese Vorgehensweise. Der Ur-VW-Käfer wurde aus bestimmten Gründen, primär seiner Leistung zur Knutschkugel, bzw. zu einem echten Kultfahrzeug auf der ganzen Welt: Zuverlässigkeit, Preis, Robustheit, … usw. Ja schön, doch was soll diese strikt leistungsbezogene Markenkritik? Was soll dieses ständige Verweisen auf die Käfer-Historie seit 1938 im Jahr 2015? Die Märkte haben sich vollkommen geändert und es geht hier um das Marketing für ein Lifestyle-Fahrzeug, der wahre VW Käfer ist doch heute der VW Golf. Und MINI und Fiat 500 führen doch sehr erfolgreich vor, was man mit sog. “Lifestyleprodukten” an Absatz generieren kann. Ja, das stimmt alles. Aber wurde sich einmal im VW Konzern die Frage gestellt, ob die Genetik der Marke Volkswagen (Achtung: Volks-Wagen) überhaupt ein reines Lifestylegefährt mit verordnetem Kultcharakter unter diesem Markennamen verkaufen kann? Oder ob es die Gestalt und die Spezifik der Marke Volkswagen nachhaltig schädigt? Wir haben den Eindruck nein. Marken sind immer höchst individuell: Was für eine Marke genau richtig ist, kann für eine andere Marke falsch oder sogar selbstzerstörerisch sein. Und der Kult um ein Produkt entsteht niemals auf Befehl – auch im Jahre 2015. Und das ist sehr gut so. Ich werde morgen mit dem Kioskbesitzer sprechen.
Brandmanagement Erdbeerhof Karls
Dass Brandmanagement Detailarbeit ist, beweisen erfolgreiche Unternehmen immer wieder: Dabei ist es erstaunlich, dass bei dem Versuch das “merkwürdige Wesen Marke” fassbar zu machen immer noch viele vermeintliche Markenprofis und Markenberater glauben, dass man eine Marke über ihr Design, ihre Corporate Identity und ein entsprechendes Manual festschreiben könnte. Derartige Bemühungen das Wesen eines Unternehmens zu erfassen und für deren Verhalten, Ausgestaltung und Kommunikation übergreifende Regeln zu erlassen, werden begleitet von dem Wunsch “unverwechselbar” zu sein. Das Problem bei derlei Bemühungen ist zum einen, dass diese “Festschreibungen” meist das Marketingfeld nicht verlassen, also nur einen Aspekt der Markengestalt umfassen … zum anderen aber sind Marken immer “lebende Systeme” während CI-Richtlinien “mechanisch” Verhalten vorgeben.
Rojinski versus Mercedes
DIE MARKE:
Mercedes-Benz ist die älteste und wahrscheinlich bekannteste Automarke der Welt, die berühmt ist u.a. für ihre wegweisenden technischen Innovationen im Bereich der Fahrzeugsicherheit. Auszugsweise formuliert: “Anti-Blockier-System, Airbag oder Sicherheitsfahrgastzelle: Mit solchen Innovationen hat Mercedes-Benz die Fahrzeugsicherheit revolutioniert. Die Marke arbeitet seit vielen Jahrzehnten kontinuierlich an der Sicherheitstechnik der Zukunft. Die Ergebnisse dieses Strebens haben immer wieder Maßstäbe in der Fahrzeugsicherheit gesetzt: Was Ingenieure der Stuttgarter Marke entwickeln, macht Millionen Automobile in aller Welt sicherer”. (Zitiert aus Website Mercedes-Benz: “Geschichte der Sicherheit”/)
DIE MARKEN-BOTSCHAFTERIN:
Palina Rojinski ist eine Moderatorin, die als Sidekick von Joko Winterscheidt und Claas Heufer-Umlauf ( “Joko und Claas”) bei MTV Home bekannt wurde. Offiziell formuliert:
“Palina Rojinski [rɔ’ʒinski] (russisch Палина Рожинская, Palina Roschinskaja, wiss. Transliteration Palina Rožinskaâ; * 21. April 1985 in Leningrad, Sowjetunion) ist eine deutsche Moderatorin und Schauspielerin russisch-jüdischer Herkunft.[1] Bekannt wurde sie durch ihre Rolle in der Fernsehshow MTV Home und die Werbung von MTV Entertainment”. (Zitiert aus Wikipedia)
DAS ZIEL VON MARKENFÜHRUNG:
Oberstes Ziel jeder seriösen Markenstrategie ist die Gewinnung öffentlichen Vertrauens. Dies geschieht durch stilistische Einheit im Auftritt wie in den Handlungen nach außen und beinhaltet deutlich mehr als eine CI-Guideline für die externe Kommunikation: Das Gesamtkonzept einer Marke muss in sich schlüssig sein. Diese Einheit beinhaltet alle Bereiche der Marke, jeden Auftrittspunkt an dem sie mit der Öffentlichkeit in Kontakt tritt – und selbstverständlich jede Person, die offiziell mit ihr assoziiert wird. Warum ist das so wichtig? Die soziale Anziehungskraft von Marken entsteht ausschließlich durch stilistische Geschlossenheit – sonst könnte eine Marke ihrer Orientierungsfunktion nicht nachkommen. Die stärkste Attraktivität üben soziale Systeme aus, die nach außen eine absolute Einheit ausstrahlen – je geschlossener das System in sich umso stärker seine Anziehungskräfte nach außen. Die daraus resultierende Grenze ist ein systemstabilisierendes Energiefeld – öffnet sich die Grenze an nur einem einzigen Punkt entweicht sofort Energie aus dem Gesamtsystem. Die starke Marke und jeder Markenexperte prüft daher, bevor ein neues Element integriert wird, sorgfältig ob dieses Element geeignet ist, das Gesamtsystem und seine Einheit zu stärken bzw. zu vertiefen.
Palina Rojinski ist eine sympathische, witzige und attraktive junge Frau. Die häufig bei Unternehmen im Falle des Wunsches nach einem Markenbotschafter/einer Markenbotschafterin in den Raum gestellte Logik lautet: Wenn Frau Rojinski eine sympathische, witzige und attraktive junge Frau ist, die sich bei jungen Menschen aktuell hoher Beliebtheit erfreut, die für aktuellen Lifestyle, Hippness und Zeitgeist steht, unsere offizielle Markenbotschafterin wird, überträgt sich diese Sympathie für Frau Rojinski automatisch auf die Marke Mercedes-Benz. Zudem verjüngt ihre Jugendlichkeit die Marke Mercedes-Benz. Punkt aus? Kein Mensch, der sich in irgendeiner Form seriös mit Kommunikation und Wirkweisen sozialer Übertragung auseinandersetzt, kann dieser Logik zustimmen. Welcher Zusammenhang besteht zwischen einer jungen Fernsehfrau und der Traditionsmarke Mercedes-Benz? Wie wird der Leistungsernst der Marke, die das Automobil erfunden hat, durch Frau Rojinski gestärkt? Kann die neudeutsch “Awareness” die Frau Rojinski ohne Zweifel generiert, den Abverkauf der Autos mit Stern signifikant unterstützen? Darf bzw. kann eine Marke wie Mercedes-Benz überhaupt jung und flippig sein? Eine Marke, die viel Geld damit verdient, dass Firmen und Firmenchefs ihre Fahrzeuge als seriös betrachten. Eine Marke, die davon lebt, dass Menschen ihr viel Geld bezahlen, weil sie sich und ihrer Familie Sicherheit kaufen, z.B. Mercedes Benz Sicherheitskonzept
Auch im März 2015 kaufen sich Menschen ein Fahrzeug von Mercedes-Benz aus ganz konkreten individuellen Gründen (übrigens auch jüngere Menschen): Sicherheit für die Familie, Prestige, hoher Komfort, deutsche Wertarbeit, Zuverlässigkeit, Langlebigkeit, herausragende Technik, hoher Wiederverkaufswert usw. Es gibt auch 2015 viele gute Gründe, sich einen Mercedes zu kaufen. Frau Rojinski zählt mit Sicherheit nicht dazu. Eine Marke wird durch innovative Leistungen jung und attraktiv gehalten, nicht durch attraktive oder junge innovativ erscheinende Menschen. Selbstverständlich haben die Marke und ihr globaler Nimbus immer schon davon profitiert, dass große Stars, Politiker, Sportler, viele Prominente im Mercedes gesichtet wurden. Jedoch wird Frau Rojinski dafür engagiert Mercedes-Benz als Botschafterin auf dem roten Teppich zu vertreten – sie wird dafür bezahlt, um offiziell für die Marke aufzutreten. Die wohl ruhmreichste Automarke der Welt muss heute Menschen dafür bezahlen, dass sie als Botschafter für die Marke auftreten? Damit wird das Attraktivitätsprinzip Mercedes-Benz ad absurdum geführt… Nicht die einmalige Markenleistung an sich zieht den Star an, sondern die Marke biedert sich einem Star und dem mit ihm assoziierten Lifestyle an. Eine Marke, die sich niemals vom aktuellen Zeitgeist abhängig machen darf, koppelt sich mit dieser Handlungsweise an den Zeitgeist. Der GAU für jede Marke. Katy Melua hatte 2010 übrigens noch nicht einmal einen Führerschein, als sie “mal eben” Markenbotschafterin für Opel war…
Die einzig relevante Frage bei Einsatz eines/er Markenbotschafters/in muss lauten: Ist diese Person geeignet das positive Vorurteil über meine Marke zu vertiefen? Wenn diese Frage nicht automatisch mit “Ja” zu beantworten ist, dann sollte das Budget für die technische Verbesserung der Produkte genutzt werden und nicht für lifestylige Sperenzchen. Wenn eine Marke Part des internationalen gehobenen Lifestyles bzw. Jet Sets geworden ist, dann ist der einzige Grund dafür, dass ihre Leistung bei diesen Menschen auf Anklang gestoßen ist, nicht weil sie mehrere lifestylige Personen oder eine ganze Fashion Show sponsert, bei der sich viele dieser Personen treffen. Eine Marke – auch wenn sie Mercedes-Benz, Porsche oder Ferrari heißt – steht für eine(!) definierte Leistung. Eine Marke, die sich ein weltweit einmaliges Vorurteil im Bereich Automobilbau erarbeitet hat, besitzt einen Leistungsfundus, den sie nutzen muss. Alle unternehmerischen Kräfte sollten darauf fokussiert werden, dieses Vorurteil gezielt weiter zu vertiefen. Es geht bei Mercedes-Benz einzig und allein darum, die eigene Expertise im Bau von prestigeträchtigen Fahrzeugen, die den neuesten Stand deutscher Ingenieurstechnik verkörpern, jeden Tag neu zu verdeutlichen. Sonst nichts. Alles andere ist Zeit- und Geldverschwendung.
LIDL – Die schlechteste Werbung der Welt
Was sehen wir? In untypisch epischer Länge für das Werbefernsehen sehen wir ein wunderbares, ästhetisch ansprechendes und mit positiven Emotionen “vollbepacktes” Filmchen. Menschen weinen, küssen, umarmen, lieben sich – sind ganz Mensch. Jeder kennt solche Szenen in der ein oder anderen Weise, kann sich mit ihnen identifizieren. Es macht Spaß, den Spot anzuschauen, viele Arten von positiven Emotionen werden direkt angesprochen, wenige Menschen wird der Film unberührt lassen. Erst zum Schluss – ganz kurz – zeigt sich der Absender: LIDL. Freude beim Ethikrat, Sprach- und Fassungslosigkeit beim Markenexperten. Wir möchten aus unserer Erfahrung heraus, einen Vorschlag machen, nur um Außenstehenden begreifbar zu machen, was hier im Vorwege vorgefallen sein könnte: Die Marktforschungsstudien haben ergeben, dass LIDL viele positive (Leistungs-)Eigenschaften vereinigt, aber als nicht besonders “schön” oder “sympathisch” wahrgenommen wird. Daraufhin: Gespräch mit der Werbeagentur. Die Werbeagentur sagt was sie immer sagt: “Wir müssen LIDL emotionalisieren.” Alle sind begeistert und einverstanden … die aktive Marken-Wertvernichtung nimmt ihren Anfang.
Marke als positives Vorurteil
Vorurteile sind schlimm. Nur dumme Menschen haben Vorurteile. Das Vorurteil hat ein echtes Markenproblem: Viele Menschen verachten es, manche unternehmen große Anstrengungen um sich davon frei zu machen. Das alles kommt nicht von ungefähr, das Vorurteil hat in der Menschheitsgeschichte regelmäßig für ungeheure Unmenschlichkeiten gesorgt und tut es bis heute mit grausiger Regelmäßigkeit. Diese Tatsache darf nicht den Blick darauf verstellen, dass das Vorurteil nicht per se ein negatives Vorurteil ist. Die Folgen negativer Vorurteile sind aber deutlich augenfälliger als die Folgen positiver Vorurteile. Ja, tatsächlich existiert in der öffentlichen Debatte das positive Vorurteil überhaupt nicht. Im Allgemeingebrauch und in der Forschung wird es daher primär in seinen negativen Folgen untersucht (hierzu z.B.: Allport, Gordon W.: “Die Natur des Vorurteils”). Für die wissenschaftliche Markenführung ist das positive Vorurteil jedoch maßgeblich.