Die Traditionsmarke, die seit 1946 offiziell in der gleichnamigen Kleinstadt in Baden-Württemberg residiert und deutschlandweit zu einem Synonym für solides Bausparen geworden ist, zeigt wie gute Werbung und Markenberatung funktioniert: Schwäbisch Hall bestätigt und vertieft existierende Positive Vorurteile über die Marke konsequent. Nicht mehr und keinen Deut weniger.
Selbstbewusst wird die eigene Leistung beworben und öffentlichkeitswirksam definiert: “Deutschland Schwäbisch Hall Land”. Ein halbseitiger Text thematisiert die bisherige Markenleistung und untermauert die Ausnahmestellung der Marke faktisch: Über 7 Millionen verwirklichte Wohnträume und Marktführer. Die Printwerbung schreckt nicht davor zurück, oftmals als spießig interpretierte Schlagworte wie “Vertrauen”, “Sicherheit”, “Verlässlichkeit”, “Geborgenheit” und “Solidität” zu verwenden und direkt an die Marke Schwäbisch Hall anzubinden. Großformatiger Blickfang ist das Foto einer typisch deutschen Kleinstadtidylle zwischen Hügeln und Wald, in diesem Fall die 16.000 Einwohnerstadt Blomberg in Nordrhein-Westfalen. Die Kampagne hat mehrere Motive, sie alle wurden von dem bekannten deutschen Luftbildfotografen Gerhard Launer aufgenommen, verantwortlich für die am 1. August gestartete TV- und Printkampagne ist die Werbeagentur Ogilvy & Mather Deutschland in Frankfurt. Das hier abgebildete Motiv zeigt das “normale” Deutschland jenseits von Prenzlberg oder Eppendorf. Das Bild zeigt exakt alles, was eine junge bis mittelalte Zielgruppe in Mafo-Untersuchungen vehement ablehnen würde, es beinhaltet gleichzeitig alles, was sich jede Zielgruppe irgendwann in ihrem Leben wünscht: Die sichere Idylle inklusive Frau/Mann, Rentenversicherung, Bausparvertrag, Kinder, Hund und dunkelblauem Kombi auf der Auffahrt – meistens seit Alter 16 (heimlich), allerspätestens mit dem ersten Gehalt kommt dann auch der Bausparvertrag.
Die Welt hat nie anders funktioniert und wenn der Deutsche seine “My home is my castle”-Mentalität ausleben, d.h. finanzieren möchte, dann zählen für ihn nur noch “Vertrauen”, “Sicherheit”, “Verlässlichkeit”, “Solidität” … alles andere ist großer Humbug – und das nicht erst seit der jüngsten Finanzkrise. In diesem für viele Menschen lebensweichenstellenden Moment sind sämtliche zuvor negativ belegten Schlagworte oder Vorurteile über piefige (ur)deutsche Tugenden, nur noch wunderbare Melodien für Millionen Ohren emsiger Häuslebauer von Flensburg bis Unterhaching. Auch der stärkste Langhaarkiffer will irgendwann keine Luftschlösser mehr bauen, irgendwann heißt es auch für ihn Blomberg statt Bali. Die Schwaben mit Kehrwoche, Sparsamkeit, Erfindertum sind gleichsam eine örtliche Verdichtung von Vorurteilen über Deutschland, hier profitiert Schwäbisch Hall trotz Zugehörigkeit zur Region Heilbronn-Franken(!) davon, dass für viele Außenstehende Baden-Württemberg als Schwabenländle zählt. Ein kostenloser Wettbewerbsvorteil: “Die Schwaben gelten im In- und Ausland traditionell als Musterbeispiel des Deutschtums, es existieren zahlreiche Anekdoten über den schwäbischen Volkscharakter und die Region, in der die Menschen anscheinend so solide und zuverlässig sind, wie ihre Produkte” (Zschiesche, Arnd: Ein Positives Vorurteil Deutschland gegenüber, LIT-Verlag, 2007).
Jenseits von Trends und Moden vermag die Marke auf zeitlose wie zeitgemäße Art ihr Produkt zu bewerben, ohne Anbiederung an irgendwelche Zielgruppen, stattdessen Konzentration auf eigene Leistung, eigene Geschichte und Herkunft. Dazu passt, dass das Logo mit den vier roten Bausteinen seit 1956 existiert, der Werbespruch “Auf diese Steine können Sie bauen” seit 1962. Im Gegensatz zum geografischen Nachbarn Mercedes-Benz (Leitsatz: “Ihr guter Stern auf allen Straßen” von 1954 bis 1998), hat die Marke es auch auf diesem Gebiet verstanden, dass die Löschung eines populären und an die Marke angebundenen Slogans der Löschung aller zuvor mühsam (und teuer) aufgebauten Energien gleichkommt. Viele Belege für resonanzstarke Markenführung. Langweilig? Geschmackssache. Zielführend? Auf jeden Fall. Warum? Nur aus langfristiger Konsequenz entsteht Prägnanz und somit Durchschlagskraft im Markt.