Hans Domizlaff, Begründer der Markentechnik, hat bereits vor mehr als 60 Jahren geschrieben: Wenn Menschen sagen: “Die Werbung war gut”, dann war die Werbung schlecht. Wenn Menschen sagen: “Dieses Produkt will ich kaufen”, dann war die Werbung gut …
Groß in der Fachpresse promoted hat der oben gezeigte Werbespot – nach Aussagen der MZE, dem Mutterunternehmen der Marke Keno-Kent – eine klare Aufgabe: Ein aufmerksamkeitsstärkendes Marketingprogramm, dass es sogar möglich machen soll, die Hauptdarstellerin des Image-Films für eigene Kundenevents zu buchen.
Für den Markensoziologen wird an diesem Spot exemplarisch die Abkopplung der Wertschöpfungskette von der Werbung deutlich. Warum?
Viele deutsche Autobauer haben damit begonnen, den Autokauf und vor allem die Übergabe des erworbenen Fahrzeuges zu inszenieren. Die Zeiten, in denen eine Flasche “Metternich-Sekt” und ein Gerbera-Blumenstrauß zur Zufriedenheit beim Kunden führte, sind vorbei.
Ein besonders beeindruckendes Beispiel für eine perfekt und detailorientierte Verkaufsinszenierung bietet BMW in seiner “BMW-Welt” am Mittleren Ring in München. Es zeigt sich, das Markenführung immer dann gelingt, wenn das Unternehmen konkrete Sachverhalte gezielt zum Einsatz bringt. BMW macht deutlich, dass Markeninhalte nicht durch abstrakte Leitbilder oder Emotionen, sondern durch eindeutige Handlungen und Instrumentierungen erzeugt werden. Was erwartet den “Abholer” (BMW bezeichnet ihn intern ausschließlich als “Kunden”) in München?
Im klassischen Mittelstand werden strategische Entscheidungen oftmals noch mit „Bauchgefühl“ und „Gefallen“ begründet, für klassische Markenberatung ist kein Platz. Das ist nicht schlimm, vor allem da sich bei näherer Beschäftigung mit dem Thema Markenstrategie zeigt, dass auch in den höchsten Konzernetagen die wichtigsten strategischen Entscheidungen zwar mit blumigeren Anglizismen beschrieben werden, aber sich im Endeffekt ausschließlich auf „Bauchgefühl“ und „Gefallen“ begründen. Auch das ist noch nicht per se schlimm, nur leider sitzen da wie dort nicht immer die Leute mit dem richtigen Bauchgefühl.
Menschen konstruieren aus konkreten Sachverhalten bzw. Fakten abstrakte Urteile und Wertungen. Besonders eindrücklich wird dies an einer Eigenwerbung der Werbeagentur McCann aus dem Jahre 2006 deutlich. Hier wird illustriert, inwieweit ein Detail die Gesamtwahrnehmung beeinflußt und wie wichtig es ist, dieses Ursache-Wirkungsprinzip im Blick zu haben.
Grundsätzlich basiert der weltweite Erfolg der Marke McDonalds auf feststehenden Bausteinen, die jedes der 30.000 McDonalds-Restaurant in der Welt zu einem umverkennbaren Teil des Markensystems McDonalds machen. Egal, wo man sich befindet: McDonalds ist immer irgendwie McDonalds. Es ist dabei nebensächlich, dass ein McDonalds-Restaurant in einem historischen Gebäude aus dem 13. Jahrhundert in Shrewsbury (England) genauso McDonalds-typisch ist, wie ein modernes Loft-Restaurant in Paris. Neben einem fest definierten Kern an Produkten (bspw. Bic Mäc, Pommes Frites, Coca Cola) gehört dazu eine charakteristische Inneneinrichtung und die besondere Fokussierung auf die Klientel “Kinder”.
Anlässlich der Jahresversammlung der Deutschen Gütegemeinschaft erklärte Bernd M. Michael:
“Bei rund 50.000 Marken in Deutschland und einem durchschnittlichen Wortschatz von 3.000 Wörtern sei es nicht verwunderlich, dass Verbraucher eher verwirrt werden und keine Orientierungshilfe erhalten. Wenn zudem die große Mehrzahl der Produkte – beispielsweise von der Stiftung Warentest – als gut bewertet werden, fällt die Entscheidung des Verbrauchers zwangsläufig über den Preis. Dieses Dilemma, so Bernd M. Michael, könne nur dadurch gelöst werden, dass Produkte künftig “gefeiert” werden; die Qualität der Verarbeitung müsse deutlich in den Vordergrund treten. Außerdem sei die Wertigkeit auch bei niedrigen Preisen zu betonen. Hochglanz-Prospekte von ALDI in edelstem Design sowie Lagerfeld-Kollektionen bei H&M sind hier markante Beispiele.” (Zitiert aus: Möbelmarkt 12/2008; Seite 49)
Der Markensoziologe wundert sich, wenn er diese Empfehlungen liest. Sicher: Marke entsteht über Kenntnis, d.h. über die leistungsernste Kommunikation resonanzstarker Merkmale eines Produktes, aber passen ALDI und edle Hochglanzoptik zusammen? Koppelt sich eine derartige Werbung nicht von den “Positiven Vorurteilen” der Kundschaft ab? Kann eine Marke sich an vermeintlichen “Marketing-Trends” orientieren?
Immer wieder ist in zahlreichen Werbungen zu beobachten, dass entweder möglichst viele Aktionsfelder eines Unternehmens dargestellt werden oder aber die Werbebotschaft aufgrund der Komplexität vollständig generalisiert (und damit neutralisiert) wird. Resultat: Das Unternehmen oder die verantwortliche Werbeagentur flüchtet sich in abstrakte Charakterisierungen (Stichwort: “Wir sind innovativ aus Tradition”) und Gefühlswelten (internes Schlagwort: “Wir müssen emotional werben.”).
Markensoziologisch sind diese Überzeugungsstrategien mehr als zweifelhaft. Bei ca. 3.000 werblichen Botschaften, die auf einen Europäer tagtäglich einströmen, wird dieser sich
keine komplexen und vielschichtigen Mitteilungen merken
abstrakte, d.h. “emotionalisierte” Aussagen nicht mit einem Markennamen verknüpfen.
Rhetorik wird seit der Antike dazu eingesetzt, um andere Menschen von der Richtigkeit der eigenen Aussagen zu überzeugen und somit Meinung zu bilden. Rhetorische Mittel setzen massenseelische Denkmuster ein, die der Einzelne unkontrolliert zur Urteilsbildung nutzt bzw. nutzen muss. Sie sind uns seit über 2000 Jahren bekannt – ihre Wirkkraft auf den Menschen hat sich nicht reduziert. Aus der klassischen Rhetorik ist die Stilfigur des “Exempels” bekannt. Das Exempel ist ein Einzelfall, aus dem man auf das Ganze schließt. Besonders wirkungsvoll wird diese Werbestrategie bei folgenden Marken eingesetzt:
Quelle: DHL, Deutschland
Im Herbst/Winter 2008 konnten die Kunden der Deutschen Post in der Nähe der Serviceschalter diese Motive sehen. In der Tat: DHL brachte einige (wenige) Pakete zur Raumstation ISS. Auch wenn in der Realität kein Postbote durch das All tobte und auch nicht wirklich ein DHL-Standardpaket eingesetzt wurde, so war der eigentliche Sachverhalt durchaus real. DHL brachte ein Paket in den Orbit. Logische Schlussfolgerung im Sinne der Rhetorik: Wer in der Lage ist ein Paket dorthin zu transportieren, der bringt ein Paket auch gut und professionell nach Wanne-Eickel.
Quelle: DHL, Deutschland
Einen noch leistungsernsteren Weg beschreitet der Erden- und Substrat-Hersteller Floragard aus Oldenburg. Seit 90 Jahren produziert das Unternehmen hochwertige Erden und Spezialsubstrate, es gilt als wissenschaftlich führend in seiner Branche. Ein Großteil der Erwerbsgärtner nutzt die Produkte von Floragard. Die Expertise aus Forschung und Erfahrung kommt direkt jedem Hobbygärtner zugute, der mit Floragard “arbeitet”. Wie macht die Marke dies ihrer Kundschaft deutlich? Sie führte im Jahr 2006 die Aktiverde mit der sogenannten Anwachsgarantie ein. Das Unternehmen garantiert bei sachgemäßer Anwendung die gesunde Entwicklung der in ihr gepflanzten Blumen und Nutzpflanzen. Ein einmaliges Leistungsversprechen, welches sich auf die Wahrnehmung der Gesamtmarke auswirkt.
Quelle: Floragard
Ein weiteres Beispiel, das weltweit durch die Presse ging: Das Schnellrestaurant Burger King bot kurzzeitig den Luxus-Hamburger in einigen Londoner Filialen an. Preis: 95,- Englische Pfund. Idee dahinter: Neben weltweiter kostenloser PR …die fachliche Versiertheit und besondere Positionierung als “bessere” Alternative zu anderen Schnellrestaurants wurde anhand eines in jeder Hinsicht herausragenden Produktes übergreifend thematisiert.
Quelle: Burger King
Fazit: Oftmals reicht es aus ein besonderes Produkt bzw. eine Leistung konzentriert in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, um damit die gewünschten übergreifenden Kategorisierungen innerhalb der Kundschaft zu verankern. Wie so oft gilt auch hier: Weniger ist mehr …und diese klassische Vorgehensweise kommt seit 2000 Jahren den menschlichen Denkschemata viel näher, als die modischen Strategien zahlreicher Werber.
Lego. In diesen Tagen wird die Marke aus dem dänischen Billund 50 Jahre alt. Ole Kirk Christiansen erfand den Baustein in seiner Tischlerei-Werkstatt – zunächst aus Holz, später aus Plastik. Nach einem beispiellosen wirtschaftlichen Erfolg in den 70er und 80er Jahren hatte das Unternehmen um die Jahrtausendwende mit stark rückläufigen Absatzzahlen und in der Folge Produktionsauslagerungen zu kämpfen. Warum? Lego hatte seinen typischen Merkmale, sein “Erfolgsprofil im Sinne eines genetischen Markencodes” nicht mehr befolgt: Die klassische kubistische Grundform des Bausteins und die klare Fokussierung auf angestammte Themenwelten (Häuser und Fahrzeuge) wurden zugunsten von zeitgeistigen Markenkooperationen aufgegeben … man meinte, dem Wettbewerb mit Computerspielen nur durch Angleichung und die Integration von vielen technischen Gadgets begegnen zu können. Folge: Lego war nicht mehr Lego, sondern ein Anbieter unter vielen …
Die Allgäuer Alpenmilch GmbH in Mühldorf steht hinter einem der bekanntesten Markenzeichen Deutschlands, dem Bärenmarke-Bär. Laut Firmenaussage kennen 96% der Deutschen das pelzige Tier, das in der Werbung kontinuierlich frische Milch aus dem Eimer in eine Bärenmarke-Kanne schüttet. Seit dem Jahr 2006 arbeitet der braune Logo-Bär mit einer anderen Bären-Markenikone zusammen: Dem Panda-Bären im Logo des World Wildlife Fund – gemeinsam setzen sie sich für das Projekt zum „Schutz der Braunbären in den Alpen“ ein. Als ganz Deutschland im Juni 2006 – ein journalistisches Sommerloch lang – das Schicksal des Braunbären Bruno verfolgte, sponserte Bärenmarke dem WWF ein „Bärenmobil“, um den Bären lebend zu fangen (der Versuch blieb leider erfolglos).