Die Kirche kämpft mit einem fundamentalen Mitgliederschwund. Heute muss die Kirche überzeugen, will sie für Menschen weiterhin relevant sein. Dabei gilt es zu verstehen, dass Marke eben nicht nur auf Produkte oder Dienstleistungen begrenzt ist, sondern auf sämtliche Leistungsangebote, die unter einem Namen in der Öffentlichkeit wirksam sind. Damit ist auch die Kirche eine Marke. Denn Marken sind positive Vorurteile, die sich Menschen über einen Akteur, in diesem Fall die Kirche, machen.
Das Thema Marke irritiert die Kirchen: Zurecht!
Marke ist seit vielen Jahren ein Thema, das eine unüberschaubare Vielfalt an Meinungen beinhaltet. Auch die Verbindung von „Kirche und Marke“ spielt inzwischen – noch etwas verschämt – eine wahrnehmbare Rolle bei Tagungen und Konferenzen innerhalb von Kirchen, Gemeinden und Bistümern. Gerne wird dort provokativ gefragt, ob denn die Kirche überhaupt eine Marke sei oder überhaupt eine sein wolle. Und so manches Mal kämpfen die Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit in einer Kirchengemeinde, aber auch in übergreifenden Stabsstellen gegen das Missfallen und die Irritation bei Berufenen und Laien an.
Über Jahrzehnte begnügte sich die Kirche mit semiprofessionellen Broschüren und Informationsblättchen. Kirche war schließlich Kirche und damit auch ein Gegengewicht zur oberflächlichen Welt des Konsums mit ihren einfältigen Zwecken und Bedürfnissen. Werbung oder gar Marken waren Begrifflichkeit „des Anderen“, also einer Ideenwelt, von der sich die Kirche und ihre Institutionen bewusst abheben wollten. Marke war dem traditionellen Verständnis nach höchstens das kleine und engagiert erstellte Gemeindeblättchen. Die Pfadfindergruppe nutzte für ihre Außendarstellung die kreativen Kräfte ihrer Mitglieder, und der Singkreis erstellte ein schickes Logo durch einen gestalterisch begabten Sänger. Alles Klischees? Sicherlich – und gleichzeitig doch immer noch Realität, mit denen die Kirche in Zeiten sinkender Budgets und gesellschaftlicher Verankerung umzugehen hat.
Für kirchlich Engagierte ist gut nachvollziehbar, dass das Thema „Marke Kirche“ ein diffuses Unbehagen auslöst. Denn wer den Glauben ernst nimmt, der kann nicht die identischen Parameter einer Zweckorientierung für die Geistigkeit des Menschen ansetzen wie für Hygieneartikel, Genussmittel und Spielwaren. Umso wichtiger ist es, klar zu differenzieren: Glaube und Kirche sind in einem christlichen Verständnis untrennbar miteinander verbunden, zugleich aber durch fundamentale Unterschiede gekennzeichnet.
Die Kirche muss (wieder) ihre Botschaft vermitteln
Die Auslegung und das Erlebbarmachen von Glauben durch definierte Rituale ist Aufgabe der Theologen. Entscheidend ist: Die Kirche ist neben ihrer religiösen Verankerung als Körperschaft des Glaubens auch immer eine weltliche Organisation (sog. „doppelte Wesensbestimmung der Kirche“ nach dem II. Vatikanum). Als weltliches System befindet sich auch die Kirche im Wettbewerb um Alltagsrelevanz und Aufmerksamkeit. Die Kirche hat die Aufgabe, durch eine resonanzorientierte Präsenz möglichst vielen Menschen von ihrem Tun und ihrer Wirksamkeit zu berichten, um dadurch Menschen in ihrem Glauben zu bestärken oder aber mehr Menschen für ihren Glauben zu gewinnen. Hierin besteht die Aufgabe jedes „lebenden Systems“, und die Kirche und ihre vielen verschiedenen Aktivitäten sollte sich nicht davon ausschließen. In erster Linie ist Markenarbeit Vertrauensarbeit – und hier gibt es für die Kirche einiges zu tun…
Auszug aus dem Buch: Errichiello/Zschiesche: Die Kirche als Marke stark machen (2020). Wiesbaden, Springer Gabler.