Viele Marken- und Werbeexperten möchten ständig eine Marke neu erfinden, umpositionierten oder emotionalisieren, die Leistungsvergangenheit beweist allerdings, dass effektive Markenführung zuallererst auf der Steuerung und Kontrolle spezifischer Leistungsmerkmale beruht.
Aus der Kognitionspsychologie ist bekannt, dass der Mensch konkrete Eigenschaften merkt (bspw. die roten Handschuhe der Flugbegleiter bei Air Berlin, die das rote Schokoladenherz zum Abschied überreichen) und auf ihrer Basis ein abstrahiertes Urteil (bspw. “Air Berlin ist serviceorientiert”) ableitet.
Ein sehr eingängiges Beispiel für diese Detailarbeit bieten zwei hochqualitative (und preisführende) britische Kartoffelchipsmarken: Burts und Tyrrells. Beide Marken wirken ähnlich – bei genauer Betrachtung jedoch höchst unterschiedlich.
Die Tyrrell Geschichte ist jung, obwohl Auftritt und Anmutung eine althergbrachte Marke suggerieren. Erst 2002 in Herefordshire gegründet, folgt das Unternehmen den Grundsätzen der ökologischen Landwirtschft. Marketingtechnisch erzeugen großflächige Aufnahmen der 20er und 30er Jahre sowie eine “britische Einbettung” einen äußerst hochwertigen Eindruck. Hinzukommt ein eigenständiger Claim: “Hand cooked potatoes“. Der Marke ist es gelungen, dem prolitüd konnotierten Kartoffelchipkonsum (Distinktionskette: Fersehen-Fußball-Sessel-Fett) in ein kulinarisches Erlebnis distinguierter Akademiker zu verwandeln. So heißen die Sorten beispielsweise: “Sea Salted” oder “Chicken & Tarragon”. Ein Preis um 3 Euro (6 DM für eine Tüte Chips) erreicht sein übriges …
Während Tyrrells stolz auf seine Herkunft “Herefordshire” ist, wirbt der Konkurrent Burts ebenso sichtbar mit “Made in Devon“. Die Kraft der Herkunft ist für beide Marken wichtig … auch Burts wirkt lediglich wie eine alte Marke ist es aber nicht. Sie ist gerade einmal fünf Jahre älter … wurde also 1997 gegründet. Um, wie man wortgewaltig auf der Website schreibt, das Feld der Kartoffelchips nicht den Global-Playern mit ihren immer gleich schmeckenden Produkten zu überlassen. Stattdessen bietet Burts (wie Tyrrells) natürlich produzierte und schmeckende Chips an. Wie wird diese Natürlichkeit erreicht? Burts betont, dass das Produkt im Rahmen einer Manufaktur hergestellt wird … hier werden die Kartoffelchips nicht “ge-cooked” (Tyrells), sondern “ge-fried” (“hand fried potatoe chips”).
Beide Marken wirken ähnlich – in einem Detail beweist Burton jedoch eine phänomenale Überlegenheit und demonstriert exemplarisch das gutes Markenmanagement immer Detailarbeit ist:
Während sich Tyrrells auf der Rückseite der Verpackung mit den üblichen Marketingaphorismen schadlos hält, instrumentiert Burts eine grandiose Idee: Es lobt den Namen des Kartoffelchip-Zubereiters auf der Tüte aus. Folgendes ist zu lesen: “Fried by Vijay”. Hier bekommt der Anspruch ein “natürliches” und ein “handgemachtes” Produkt zu konsumieren eine faktisch unterlegte Entsprechung. Über Kraft dieser Leistung scheint man bei Burts sehr genau zu wissen. So sind auf der Website www.burtschips.com unter dem Menüpunkt “Who” Bilder und Kurzbiografien der “Fryer” zu lesen …
Ganz unabhängig davon, ob Burts ein natürlicheres Unternehmen als Tyrrells ist, zeigt dieses Beispiel an wie Markenmanager – ohne Kosten – ein Detail als entscheidendes und markendifferenzierendes Element in einem hart umkämpften Markt installieren können. Gerade weil immer wieder behauptet wird, dass die Differenzierungen für “Alleweltsprodukte” zumeist außerhalb der Leistungswelt der Unternehmen zu finden seien, ist Burts als Gegenbeispiel für die markensoziologische Betrachtung so eindrücklich und wertvoll.