Schauinsland-Reisen ist – von extern betrachtet – eine beachtenswerte Firma: Als Duisburger Familienunternehmen in dritter Generation in einem hochkompetitiven Markt zu bestehen und neben wirtschaftlichen Bedürfnissen auch das Wohlbefinden der Mitarbeiter im Auge zu behalten (Fachumfrage), entspricht einer Wirtschaftsethik, die seit spätestens 20 Jahren mehr und mehr von einer amerikanischen Investmentdenke abgelöst wird. Jedes lang bestehende Unternehmen nötigt einem Beobachter Respekt ab.
Passt der Katalog zur Marke?
Umso irritierender ist die Erfahrung, die der väterliche Markenberater bei freizeitlicher Betrachtung der im fachlich versierten Reisebüro erhaltenen Kataloge macht: Fröhlich blätternd im “Familienurlaub“-Druckwerk fällt die kindergerechte Gestaltung ins Auge. Texte richten sich an die jüngeren Leser, großflächige Grafiken gefallen dem Kinderauge (Slogan auf dem Katalog: “Euer Mitmacht-Katalog”). Alles wirkt wie ein gut gemachtes “Lesemaus-Heft” vom Carlsen-Verlag. Pädagogisch wertvoll und betriebswirtschaftlich durchdacht, lädt der Katalog zum Stöbern und gemeinsamen Nachdenken über den nächsten Urlaub ein … markensoziologisch agiert die Marke perfekt, da sie die veränderten Auswahlgewohnheiten der Familie (“Die Familie wählt das Urlaubsziel gemeinsam aus …”) selbstähnlich, d.h. typisch in den Grenzen der Leistungsgeschichte des Unternehmens umsetzt. Man möchte meinen: “Alles richtig gemacht!”
Und doch erweist sich der Markenauftritt an dieser entscheidenen Stelle zur Kundschaft als äußerst fragwürdig: Stellen Sie sich vor Sie betreten ein einladendes Bekleidungsgeschäft beschauen sich Hemden , Hosen und Anzüge, greifen bei Gefallen an die Kleidungsstücke und finden … keinerlei Preisauszeichnung. Oder: Sie stehen vor einem schicken Restaurant setzten sich hinein, haben es sich gemütlich gemacht, erhalten die Speisekarten … auf denen keinerlei Preisangaben zu finden sind. Machen wir es kurz: Der Familienurlaub-Katalog verfährt ebenso. Gerald Kassner, Geschäftsführer von Schauinsland-Reisen, erklärt uns im Vorwort: “Übrigens: Wir haben in diesem Katalog ganz bewusst auf Preise verzichtet und nur Hotelkategorien angegeben.” Es wäre vermessen die Hintergründe für diese bewusste Entscheidung zu erraten (wir können uns sicher, dass dies nicht leichtfertig geschehen ist), aber zweifelsohne hat dies mit der Preiskonkurrenz im Internet, der Sicherstellung der Beratungsleistung der Reisebüros oder dem simplen Wunsch zu tun, dass sich der Kunde im Internet (Angaben werden im Katalog geliefert) näher über das Hotel informiert … vertriebstheoretisch vollkommen nachvollziehbar (konstruiert), aber markensoziologisch eine Katastrophe: Hinter einer solchen Strategie steht der Gedanke, man könne seine Kunden erziehen – die fast ein halbes Jahrhundert kulturell verankerte Erwartungshaltung (Positive Vorurteile) an einen Reisekatalog verändern, nicht weil dies die Kundschaft so will, sondern weil man meint nur so in Verdrängungsmärkten bestehen zu können. Das funktioniert leider nie. Marken sind wichtige Bestandteile unserer Kultur geworden – Schauinsland ist sicherlich ein sehr renommiertes Unternehmen, aber man sollte nicht glauben, die gelernten Konsumgewohnheiten dreier Generationen mit einer Kampagne oder einem Werbeauftritt nachhaltig verändern zu können.
Auch Preise sind Leistungsbeweise der Marke
Das Weglassen der Preise kann kein “Service” für den Kunden sein: Welches Argument kann nachvollziehbar machen, dass der Preis in einer Informationsunterlage nicht genannt werden muss: Der Preis stört das Urlaubsgefühl? Der Preis beschränkt meine Wünsche bereits im Ansatz? Der Preis wird sowieso überschätzt?
Auch 21. Jahrhundert liegt das Geld nicht auf der Strasse und nur ein Bruchteil der Menschen kann sich eine Urlaubsreise leisten, ohne nochmals zu überprüfen, ob das Budget reicht (gerade in Familien). An der entscheidenden Schnittstelle kaum eine Orientierung zu geben und (man muss es so deutlich formulieren), die den Urlaub finanzierende Elternschaft “ins Messer laufen zu lassen”, indem die Kinder über herrliche Fotoaufnahmen gelockt, sich für ihr Traumziel entscheiden … damit dann Mama oder Papa (nachdem die Vorfreude groß war) verkünden muss, dass dieses Reiseziel zu teuer ist, sät Unfrieden und Enttäuschung in den Familien … das kann und das darf nicht das Ziel einer Marke sein, die einen “traumhaften Urlaub” verspricht und im Vorwort den Familiengeist beschwört (“Urlaubszeit – die wichtigste Zeit im Jahr für die Familie.”).
Markenpflege ist Kundschaftspflege
Vor Jahren haben Supermärkte damit begonnen, die sog. Quengelzonen an den Kassen (Der Kassenbereich in dem Süßigkeiten gut sichtbar für Kinder angeboten werden) abzurüsten … da sie ihre Kundschaft nicht durch ein “unfaires” Verhalten irritieren möchten. Damit geben diese Akteure ein klares Signal: Ja, wir verzichten an dieser Stelle auf Umsatz, weil wir Dich nicht nur als “Verbraucher” begreifen, sondern Dein Vertrauen gewinnen möchten – für eine langfristige “Partnerschaft”.
Wenn man seine Kundschaft als Kundschaft wirklich schätzt, dann muss eine Marke alles unternehmen, um als vertrauenswürdig und engagiert im Sinne des geldgebenden Kunden wahrgenommen zu werden. Wer Marke als langfristiges Geschäft betreibt, muss immer wieder Signale zur Kundschaft senden, die klar macht: Ein gutes Geschäft, kennt keine Verlierer … vor allem nicht auf dem Rücken von Familien.
Nachtrag (Juni 2016):
Gerade wenn bekannt ist wie groß das soziale Engagement von “Schauinsland” vor allem an seinem Stammort Duisburg ist (Sportsponsor des MSV Duisburg und Durchführung öffentlichkeitswirksamer und kinderfreundlicher Feste), so ist es umso erstaunlicher, dass man diesen für die Marke fremdähnlichen Weg gewählt hat. Es wäre als familienfreundliches und engagiertes Unternehmen umso wichtiger, einen zur Markengenetik selbstähnlichen Weg zu gehen, der vor allem Überschaubarkeit in den Fokus rückt. Es bleibt abzuwarten wie lange das Duisburger Unternehmen weiterhin diese Stilistik pflegen wird.