Die „Strategische Patenschaft“ zwischen der „Interessengemeinschaft Baupflege Nordfriesland und Dithmarschen“ und dem „Büro für Markenentwicklung“ Hamburg dient dem Erhalt von Haubargen. Und mehr…
Der Norden: Unendliche Weiten. Grüne Weiden und Deiche im Sonnenschein (häufiger als man denkt!). Gewaltige Wolkenformationen, Möwengeschrei, Schafgeblöke, knorrig-kernige Personen, die sich verbal eher kurz fassen… Und manch ein Hefefreund hört spätestens jetzt das Ploppen eines Bierverschlusses. Für viele Menschen gehören zudem malerische Bauernhäuser unter Reet sowie roter Backstein zu den regionalen Köstlichkeiten – und zur natürlichen Wahrnehmung dieser touristischen Region. Wer im Urlaub mehr als Strand und hefehaltige Getränke sucht, wer Land und Wesen knorrig-herzlicher Menschen verstehen will (oder vor Sturm und Kälte flüchtet), der sollte in ihre Häuser gehen…
Wir schreiben das Jahr 2019: Eine kleine feine Marke hat sich voll und ganz den norddeutschen “Mega-Marken” Friesland und Dithmarschen bzw. speziell ihrer in Stein gemeißelten und häufig reetbedeckten Preziosen verschrieben. Es ist die „Interessengemeinschaft Baupflege Friesland und Dithmarschen e.V.“, kurz IG Baupflege, für Kenner noch kürzer: IGB. Seit 1980 kämpft sie so engagiert wie unbeirrbar für den Beibehalt der einmaligen regionalen Baukultur und gegen die zunehmende Verflachung und Austauschbarkeit örtlicher Neubau-Architektur. Dafür wurde sie bereits 1984 mit dem Deutschen Denkmalspreis ausgezeichnet.
Viel mehr als Wattenmeer: Nordfriesische Gebäude-Perlen im Hinterland
Denn neben der einmaligen Naturlandschaft des Wattenmeeres existiert hier eine ebenso einmalige Kulturlandschaft, deren Potential nicht annähernd gehoben ist. Ein auch im Wortsinne herausragendes charakteristisches Symbol des kulturellen Erbes im Inland der Westküste sind die Haubarge: Große Bauernhöfe mit imposant-hohen Dächern, meist auf schützenden Warften gelegen. Gebäude, die so nahezu ausschließlich auf der Halbinsel Eiderstedt zu finden sind. Die IGB will ein Bewusstsein dafür schaffen, dass sich abseits bekannter Pfahlbauten im Sand eine zunehmend wertgeschätzte Baukultur im satten Grün Nordfrieslands befindet.
Ob auf Sand, hinterm Deich, zu Lande oder in der Stadt: Immer wieder macht die IG Baupflege mit ihren ehrenamtlichen Unterstützern baukulturelle Neu-Entdeckungen im Kleinen wie im Großen. Das Spektrum reicht von altholländischen Fliesen bis zum „Englischen Bahnhof“ in Husum. Das Wissen um diese einzigartigen Bauwerke, deren Erhalt und Hilfe bei der Pflege ist Markenkern der IGB. Der „Maueranker“ ihr schriftliches Sprachrohr, Hans-Georg Hostrup ihr umtriebiger Vorstandsvorsitzender: Als „Mensch des Jahres 2018″ ausgezeichnet für sein ehrenamtliches IGB-Engagement für den Erhalt historischer Bauten.
Das Wissen allen zugänglich machen – digital
Aktuell startet ein digitales Großprojekt der Institution mit Sitz in Bredstedt: Das „IG-Baupflege-Online-Lexikon“ soll die Handwerkskunst, das umfassende Fach- und Spezialwissen um die besondere Architektur vor Ort bewahren, es gleichzeitig einer erweiterten Öffentlichkeit zugänglich machen. Dafür wurde von der IGB die große Spenden-Aktion „Rettet die Nordfriesische Hauslandschaft“ initiiert (Spenden-Logo siehe unten). Neben vielen anderen Maßnahmen wirbt ein eigener Kurzfilm für die Belange und Wichtigkeit der Baupflege in Nordfriesland: Passenderweise wird der Spot im Kino-Center Husum direkt vor dem Siegfried Lenz-Film „Die Deutschstunde“ gezeigt. Ein Werk, in dem Landschaft und Häuser Nordfrieslands eine tragende Rolle spielen. Mehr Informationen zur IGB-Aktion, finden sie hier.
Marke lebt von Geschichte – Geschichte lebt über konkrete Leistungsbeweise
Wer sich ernsthaft mit Marke und Markenführung auseinandersetzen will, kommt nicht umhin, sich intensiv mit Geschichte und Vergangenem zu befassen. Anders ist ein „richtiges“ Verständnis für die individuellen Besonderheiten einer Marke nicht möglich, anders kann kein soziales System wertschöpfend in die Zukunft geführt werden. Jeder seriöse Ansatz muss sich intensiv mit der Substanz einer Marke und deren Erhalt auseinandersetzen. Diese Substanz kann nur verstanden werden über das Verständnis der Evolution eines Markensystems.
Marken sind Kulturkörper, die auf Basis von Leistungen entstanden sind. Sie wurden zu Marken, weil sie es vermocht haben, ein spezifisches Muster zu verankern, sie erschufen sich einen Wiedererkennungswert. Einige sind so zu einem Esperanto des Handels geworden, ihr Code wird auf der ganzen Welt spontan entziffert, er kennt weder politische noch kulturelle Grenzen. Eine blaue Dose mit weißer Schrift wird global richtig „zugeordnet“, eine Louis Vuitton-Tasche auf jedem Boulevard erkannt, und und und… In Bezug auf eine Land- oder Regionalmarke kann das Muster genauso ein Dirndl, ein Oktoberfest oder ein Hofbräuhaus umfassen. Dinge, die einzigartig sind, die authentisch und konkret für ihre Vor-Geschichte und Herkunfts-Kultur stehen.
Heut ist alles Marke – nur kaum einer versteht, was Marke ist
Das Thema Marke selbst ist in den letzten 25 Jahren überall angekommen, der Begriff hat eine steile Karriere erfahren: Nicht nur Manager, auch Politiker, sogar Kirchenvertreter sprechen anno 2019 ohne mit der Wimper zu zucken vom „Markenkern“ ihrer Kirche. In der Logik begreifen sich heute Sportvereine, Städte, Landschaften, ganze Regionen als Marken und vermarkten sich dementsprechend. Leider bedeutet all dieser Zuwachs nicht, dass das Markenverständnis größer geworden ist. Denn Marke an sich ist nur ein verbales Vehikel um Vertrauen in eine besondere Leistung unter einem Namen und Zeichen zu fassen.
Der Mensch kann nur das Besondere lieben – Marke ist immer das Besondere
Das Prinzip macht deutlich, warum es Marken bereits bei den alten Griechen gab, sie keine Erfindung der Neuzeit sind. Weil Menschen immer schon außergewöhnliche Leistungen begehrenswert fanden. Damit einher geht neben dem Vertrauensaufbau bei entsprechender Leistung automatisch eine Kategorienbildung: Porzellan aus China, Wein aus der Toskana, Uhren aus Glashütte, Messer aus Solingen, Käse aus Appenzell, Husumer Krokusblüte etc. Entscheidend für das Verständnis jeder Art langfristiger Markenbildung ist: Der Mensch kann nur das Besondere lieben, das Gewöhnliche kann keine derartige Anziehungskraft entwickeln.
Die Dinge sind die Gene der Kultur – Kultur ist umso stärker, je greifbarer sie ist
Was wäre eine Stadt wie Lübeck ohne Holstentor, ohne Marzipan, sieben Kirchtürme, den Altstadtkern? Kurzgefasst: Was wäre die Stadt ohne ihre einzigartige Geschichte? 217.198 Einwohner, 214,21 Quadratkilometer Fläche, 10 Stadtteile mit 35 Stadtbezirken, usw. Erkennen Sie den Ort noch? Alle wissen intuitiv: Lübeck ist nicht wie Flensburg oder Kiel. Schon gar nicht wie Augsburg. Mainz hat 217.118 Einwohner, ähnelt Lübeck nicht wirklich. Aber warum nicht? Weil Marken, ob Stadt, Land oder Auto immer soziale Phänomene sind.
Daher ist das Wissen, das tiefe Verständnis und die selbstähnliche Fortschreibung ihrer Geschichte so wichtig für deren Stärkung und Durchsetzung. Herkunft spielt eine maßgebliche Rolle dabei, markensoziologisch gilt: Je mehr Globalisierung, umso wichtiger die Herkunft, die Region, der einzelne Ort. Deswegen braucht es Menschen, die diese Besonderheiten pflegen. Menschen, die den Sinn dafür haben, dass Kultur nie soft-fact, sondern entscheidender hard-fact ist. Der Soziologe sagt: Die Dinge sind die Gene der Kultur, genau darum ist ihr Erhalt (kultur-)überlebensnotwendig.
Die Deutsche Soziologie wäre ohne den Haubarg ärmer
Die Wissenschaft, die sich analytisch mit Marken als soziokulturellen Phänomenen auseinandersetzt und Werkzeuge für deren Zukunftsfähigkeit entwickelt, ist die Markensoziologie. Maßgeblich für das Verständnis der natürlichen Markenbildung und die Mobilisierung sozialer Anziehungskräfte ist ein Buch, welches ein Gründervater der deutschen Soziologie verfasst hat: Ferdinand Tönnies und sein Werk „Gemeinschaft und Gesellschaft“, erstmals 1887 erschienen; mittlerweile längst ein Klassiker, der auch in China und den USA Verbreitung gefunden hat.
Im Juni 2019 konnte die Ferdinand Tönnies Gesellschaft Kiel dieses Werk feierlich als Band 2 im Rahmen der Ferdinand Tönnies Gesamtausgabe präsentieren. Dies geschah im Rahmen des „X. Internationalen Tönnies Symposiums“ , siehe auch den Markenradar-Bericht vom Symposium: “Tönnies als Wirtschaftsberater”.
Ohne Herkunft keine Hinkunft – auch nicht bei Wissenschaftlern
Jener Tönnies kam im Haubarg „Op de Riep“ bei Oldenswort auf der Halbinsel Eiderstedt zur Welt (siehe Bild). Das enge familiäre Zusammenleben in dieser Art des Bauernhauses ist sicher mitverantwortlich für sein sensibel-intensives Verständnis für den Begriff und das Wesen der gemeinschaftlichen Sozialform: Im Haubarg lebte die Familie auf meist kleinem Raume gemeinsam (mit den Nutztieren) unter einem großen Dach. Mit aller Zuneigung und allen Konflikten, welche diese Konstellation birgt und die für jedes Leben in Gemeinschaft typisch sind.
Das typisch ländliche Zusammenleben muss seinen Blick geschärft haben, für die Abgrenzung gegenüber der mit dem Anwachsen der Städte verstärkt aufkommenden, anonymeren Form des Zusammenlebens in Gesellschaft. Eine “neue” Form des Miteinanders, aus dem heraus eine andere soziale Distanz zwischen den Menschen entsteht.
Der “Marke Haubarg” und “Nordfriesland” mehr Geltung verschaffen
Gute Gründe für das Büro für Markenentwicklung, sich für die IG Baupflege stark zu machen, ihr bei strategischen Fragestellungen zur Seite zu stehen. Das Hamburger Unternehmen setzt sich seit seiner Gründung 2006 intensiv für die Verbreitung des Wissens um das Werk von Ferdinand Tönnies ein. Es fußt wissenschaftlich auf seinem geistigen Fundament: Der Erhalt des Haubargs und anderer Gebäude als soziokulturelle Zeitzeugen ist somit in jeder Hinsicht ein Anliegen von zugriffsorientierten Soziologen wie auch von Markenexperten.
Nur über das Verständnis örtlicher Geschichte, Demut vor dem Geist und den Leistungen früherer Menschen, können Systeme Anziehungskraft entwickeln. Dafür sorgt die IGB in einem Bereich, dessen Erhalt auch für uns und unser Markenverständnis lebensnotwendig erscheint. Denn Zukunft kann weder geplant noch effizient ausgestaltet werden, ohne umfassendes Verständnis von Vergangenheit. Dazu muss Wissen so konkret wie möglich erhalten und weitergetragen werden. Anders funktioniert es nicht. Es geht um deutlich mehr als den Erhalt von Haubargen…