Ob Start-Up von 2019 oder Traditionshaus von 1879: Bei der Analyse von Marken ist ein häufig wiederkehrendes Element, dass der Urkern der Marke dem Einzelwillen eines Gründers bzw. speziell heutzutage mehrerer Gründer(innen) entspringt. Ein typischer Start: Eine Person hat eine Idee, diese Idee oder dieses Problem ließ den (armen) Menschen nicht mehr los, bis er eine Lösung gefunden hat. Ob es die Idee war, Öl mit Wasser zu verbinden (NIVEA), Lebensmittel luftdicht zu verschließen (Tupperware), Schuhe mit Löchern zwecks Belüftung zu versehen (Geox). Oder “nur” das kleine aber eigene Café im Viertel… Am Anfang steht immer eine Vorstellung, ein Traum. Und der individuelle Wille, diese eigene Idee in die Tat umzusetzen.
Der Wille, die Idee braucht Anhänger
Oftmals findet die Durchsetzung der eigenen Marken-Idee gegen erhebliche Widerstände von außen statt. Denn eines wird in der analytischen Betrachtung schnell offensichtlich: Ohne die unbändige Kraft des menschlichen Einzelwillens ist die kunterbunte Marken-Vielfalt auf der Erde nicht zu erklären: Wenn ein Auto wirklich nur wichtig wäre, um von A nach B zu kommen, würden nicht hunderte unterschiedlicher Automarken existieren.
Um es mit der eigenen Idee auch zu wirtschaftlichem Erfolg zu bringen, benötigt es allerdings mehr als nur den unbedingten Willen und seine leistungsstarke Umsetzung: Die Idee braucht Käufer, die im besten Falle zu langfristigen Anhängern der Leistung werden. Aus dem individuellen Willen einzelner muss der soziale Wille vieler werden, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, anders formuliert: Eine Kundschaft muss entstehen.
Jede Form sozialer Verbundenheit entsteht nur durch den Willen einzelner Individuen zu dieser Verbundenheit. Alles soziale Handeln wird davon gelenkt. Verfügt die aus dem vereinigten Willen der Beteiligten entstandene Verbindung über ein attraktives Angebot, entwickelt sie Anziehungskraft für weitere Individuen. Bezogen auf die Marke bedeutet dies, dass die Unternehmensleistung eine Wirkung erzielt und viele Menschen anzieht. Es entsteht Begehrlichkeit, die in der Folge zum stetig erhöhten Abverkauf des Produkts führt. Der Warenwert wird von den Käufern deutlich höher eingeschätzt als der von ihnen investierte Geldwert.
Der Wille stabilisiert das (Marken-) System
Wird die Erwartungshaltung gegenüber einem Produkt bei mehrmaligem Kauf beständig erfüllt, bildet sich ein Energiekreislauf innerhalb des Systems: „Wenn sich die Wünsche der einen und die Leistungen der anderen Seite entsprechen, bildet sich ein rückkoppelndes System aus positiven Willensbeziehungen. Viele einzelne Willen verbinden sich zu einer Einheit, die alle Beteiligten in die Pflicht nimmt – sozialer Wille ist entstanden” (Deichsel, Markensoziologie, 2006, S. 13). Das ist der wahre ROI (Return on Invest).
Auf diese Weise stabilisiert der Wille nicht nur die Firma selbst. Die Marke nimmt alle ihre Anhänger als kritische Kontrollinstanz und kostenlose Multiplikatoren der eigenen Botschaft in die Verantwortung. Eine wechselseitige Verantwortung: Die Anhänger geben ihre guten Erfahrungen mit der Markenleistung gerne weiter. Sie entwickeln aber ebenso ein feines Gespür dafür, wenn ein neues Produkt nicht zu ihrer Marke passt. Gerade im Digitalzeitalter besitzen sie viele Möglichkeiten, ihren Marken-Unmut wirksam kund zu tun…
Wichtigste Zielgruppe: Die eigene Kundschaft
So bindet das Unternehmen die Kundschaft als Stabilisator in das System ein. Marke ist sozialer Wille und bündelt diese Willenskraft, denn nur durch die Bejahung der Kundschaft erhält sie ihre Existenzberechtigung. Dies macht deutlich, warum alle strategischen Maßnahmen die Marken-Kundschaft im Fokus haben müssen: Sie ist Träger des Wissen um die Marke und sie besitzt den Willen zur Marke…