Einzig seriöse Antwort: Vertrauen in eine Leistung schaffen.
Gebildete Menschen sehen Marke gerne kritisch. Das ist auch verständlich, zumindest wenn man dabei an einige unübersehbare Auswüchse heutiger Markenkultur denkt. So die Art und Weise wie sich einige Menschen über Marken definieren, ihr schmales Ego durch grotesk-plakative Statussymbole verbreitern, ein soziales Phänomen, welches sich augenscheinlich nicht nach dem Schulhof vollständig verwächst… Aber dieser Bereich betrifft insgesamt nur sehr wenige Marken im Premium- und Luxussegment. Dabei ist der eigentliche Sinn und der Grund für die Entstehung von einer Marke oftmals zutiefst ethisch und nicht per se kapitalistisch geprägt: Marke will Vertrauen in eine (neue) Leistung schaffen bzw. vertiefen. Vornehm aber treffend formuliert:
Eine Marke bewirbt sich mit ihrem Angebot und ihrem Auftritt um das Vertrauen der Menschen in eine ehrliche Leistung.
Marke ist somit ein Angebot, für das alle Menschen, für die es relevant und hilfreich ist, ausgesprochen dankbar sein sollten (und sie sind es auch oftmals). Denn es erleichtert, perfektioniert, verschönert oder ermöglicht überhaupt erst ihren privaten Alltag. Marken orientieren uns und lösen mit ihren Leistungen jeden Tag diverse Herausforderungen für uns. Manche tun dies schon sehr lange oder sind längst zu einer persönlichen Gewohnheit im Alltag geworden, so dass wir ihre Leistung im Alltag gar nicht mehr als solche wahrnehmen.
Jede starke marke zeichnet starkes Vor-vertrauen aus
Die Personen, die eine Marke beruflich betrifft – Menschen, die eine eingeführte, bereits mit Vor-Vertrauen ausgestattete Marke verantwortlich lenken dürfen –, sollten diese Dankbarkeit ebenfalls empfinden. Allein das mühsam aufgebaute Vertrauen der Kundschaft in die Marke finanziert sowohl ihren ganz persönlich-privaten Wohlstand wie auch den des ganzen Unternehmens und aller Mitarbeiter. Demut klingt als Begriff eventuell etwas altmodisch und ist sicher kein Hipster-Wort, es ist aber für gute, d.h. seriöse Markenarbeit absolut unerlässlich: Ich arbeite hier jeden Tag mit einer sozialen Tatsache, die im Fall von Traditionsmarken viele Tausend andere Menschen lange vor mir, meist mit einiger körperlicher und Hirnarbeit, mühevoll aufgebaut haben. Diese Vorarbeit hat erst zu dem aktuellen Vertrauensstatus geführt, von dem ich heute profitiere. Sie kann also nicht völlig sinnlos oder gar dumm gewesen sein. Dies sollten die Verantwortlichen im Unternehmen bei jeder strategischen Überlegung im 21. Jahrhundert immer im Hinterkopf behalten.
Ein Unternehmen, welches es erfolgreich – meist über Jahre oder Jahrzehnte, manche über Jahrhunderte – vermocht hat, sich ein starkes Vor-Vertrauen im Markt zu erarbeiten, verdient für diese Leistung hohen Respekt. Respekt, den manche in der Öffentlichkeit stehende Manager häufig vermissen lassen, wenn man sich ihre Äußerungen, ihren Umgang und ihre Entscheidungen bezüglich ihrer Marke anschaut. Jede Marke erfordert einen hochsensiblen Umgang mit ihrem ebenso hochsensiblen sozialen Inhalt und dem entscheidenden Unternehmenswert: (Öffentliches) Vertrauen – nichts anderes bedeutet die Existenz eines positiven Marken-Vorurteils.
nur vertrauen erschafft langfristige (mehr-)werte
Wir möchten an dieser Stelle, bei Verwendung des zentralen Begriffes „Vertrauen“, eines explizit hinzufügen: Das in diesem Blog vorgestellte Verständnis von Marke ist ein ausschließlich langfristig orientiertes. Der Aufbau einer „echten“ Marke bedeutet, dass ein Unternehmen es sich zum Ziel gesetzt hat, langfristig einen substanziellen wirtschaftlichen Mehrwert zu erschaffen. Dies gelingt nur über Anstand in Wort und Tat. Es geht darum, eine Unternehmung generationsübergreifend aufzustellen, markensoziologisch formuliert „vererbungsfähig“ zu machen. Viele Marken, die bei der Frage nach einer „richtigen“ Marke spontan genannt werden, stammen aus Unternehmen, die seit langer Zeit existieren und diesen Vererbungsvorgang geschafft haben. Wer den schnellen Euro machen und zügig weiterziehen will, für den ist dieser Weg falsch.
Und es macht ökonomisch nur so Sinn: Für den Soziologen Niklas Luhmann ist Vertrauen das maßgebliche Mittel zur Reduktion sozialer Komplexität. Der Wirtschaftswissenschaftler Carl Christian von Weizsäcker erklärt, dass „Vertrauen ein sozialer Mechanismus zur Herabsetzung von Kooperationskosten“[1] ist. Zwei Aussagen, die eines verdeutlichen:
Ohne Vertrauen gibt es keine effizient funktionierenden sozialen Systeme.
Ob der Marken-Zweck die globale Gewinnmaximierung des Unternehmens oder der Stopp des globalen Klimawandels ist: Auch im Zeitalter der blitzschnellen elektronischen Kommunikation zwischen Tokio und Rotterdam können Gruppen von Menschen nur miteinander arbeiten und erfolgreich ihre Ziele erreichen, wenn ein Minimum an gegenseitigem Vertrauen gewährleistet ist. Der einzige Existenzgrund von Kundschaften ist ihr geteiltes (Vor-)Vertrauen in eine bestimmte Leistung. Kundschaften versammeln sich dauerhaft um ehrliche Leistungen – Aufgabe einer Marke ist es, diese Leistung immer wieder in gewohnter Qualität zur Verfügung zu stellen. Marke soll Vertrauen in eine Leistung schaffen. Nur so funktioniert der Vertrauenstransfer problemlos. Nur so funktionieren starke Marken.
[1] Weizsäcker, Carl Christian von: Ordnung und Chaos in der Wirtschaft. In: Gerok, Wolfgang (Hrsg.): Chaos und Ordnung in der belebten Natur, Freiburg, 1988, S. 46.
Hintergrund zum text:
Der vorliegende Text ist leicht abgeändert und gekürzt worden. Der vollständige Originaltext befindet sich im Buch “Marke statt Meinung” von Arnd Zschiesche und Oliver Errichiello, welches im GABAL Verlag erschienen ist. Darin beantworten die Gründer und Geschäftsführer des Büro für Markenentwicklung in Hamburg die 50 Fragen zum Thema Marke, die ihnen in über 20 Jahren in der Markenberatung und an der Hochschule immer wieder gestellt wurden. Das Buch selbst wurde auf dem Markenradar bereits vorgestellt: Die Gesetze der Markenführung in 50 Antworten. Weitere Bücher der zwei Autoren zum Thema wissenschaftliche Markenführung gibt es hier.
Kontaktieren Sie bei Fragen gerne Dr. Arnd Zschiesche per E-Mail: az@buero-fuer-markenentwicklung.com