In der Stadt Meran ist eine Straße nach dem Österreicher Carlo Abarth benannt worden. Warum tun die Italiener so etwas? Weil dieser Mann die Kleinwagen der italienischen Institution Fiat in hochtourig aufdrehende PS-Monstermaschinen verwandelt hat. Er gründete 1949 mit einem Partner das Unternehmen Abarth & Co., das eigene sportliche Fahrzeuge konstruierte. Berühmt wurde die Firma als der ehemalige Motorradrennfahrer anfing, Fiats und Alfa Romeos zu frisieren. Als Markenzeichen wählte Karl Abarth, der sich jetzt Carlo nannte, sein Sternzeichen, den Skorpion.
Fiat 600: Klein und tödlich. Quelle: www.thetuning.ru
Die Firma tunte in den 50er und 60er Jahren vorzugsweise 500er und 600er Fiats: Der „Fiat Abarth 1000 TC Radiale“ auf Basis eines 600er brachte es mit 106 PS auf 208 km/h – die Normalversion mit 23 PS schaffte 110 km/h. Die getunten Tempokugeln besaßen auf den Rennstrecken ein Image wie ihr Markenzeichen mit dem Stachel: Klein und tödlich. Große schwere Sportwagen, die ihre Kraft traditionell aus viel Hubraum beziehen, wurden von den kleinen Fiats vorgeführt – bis zu 600 Trophäen im Jahr fuhren die Fahrzeuge mit geöffneter Heckklappe ein. Im Jahre 1971 verkaufte Carlo Abarth seine Firma an Fiat, sein Name lebte weiter in den sportlichen Fahrzeugen, die Fiat mit dem Skorpion verzierte. Bis in die 80er hinein gab es immer wieder Abarth-Modelle, dann geriet Abarth in Vergessenheit – die Marke Fiat bekam ganz andere Probleme: Qualitätsmängel, verfehlte Modellpolitik, Missmanagement, in der Folge weg brechende Märkte, Anfang des neuen Jahrtausends konnte die Pleite gerade noch verhindert werden.
Warum ist dieser Einblick in die Markengeschichte für den Markentechniker von heute interessant?
Weil dieser Blick verdeutlicht – wie gleich gezeigt wird – dass in der Geschichte einer Marke, ihr ureigenes Erfolgskonzept angelegt ist. Weil dargestellt werden kann, was passiert wenn sich eine Marke auf ihr Erfolgskonzept besinnt.
Die Marke Fiat hat sich in den letzten Jahren zurückgemeldet. Augenfälligstes Beispiel auf deutschen Straßen ist der neue Fiat 500, bei dem es wegen der Nachfrage zu Lieferengpässen kam. Der wirtschaftliche Erfolg im Bereich Automobil ist wiedergekommen, weil die Marke sich erneut auf ihre Kernkompetenz im Bau von einfachen, pfiffigen, schnellen Kleinwagen fokussiert hat: Fiat Panda, Fiat Grande Punto, Fiat 500 tragen nicht umsonst die Namen berühmter Vorgängermodelle. Der Markentechniker erkennt – einhergehend mit dem wirtschaftlichen Erfolg – untrügliche Zeichen von einem neuen Selbstbewusstsein der Traditionsmarke: Das Logo wurde überarbeitet, die Filialen werden nach und nach modernisiert (gemeinsam mit IKEA bzw. mit IKEA-Möbeln) und 2007 folgte die Wiederbelebung der Tuningmarke Abarth.
Abarth-Deko
Abarth-Cockpit (500er)
Plötzlich ist der Skorpion wieder da, ausgewählte 40 Händler in Italien, 60 Fiat-Partner im übrigen Europa „dürfen“ Präsentationsräume zur Verfügung stellen, die speziell gestaltet werden: Schwarz-Weiß-Photos von Rennsiegen an den Wänden, rot lackierte Fußböden, potentielle Käufer sitzen beim Verkaufsgespräch auf Rennsesseln, … Der Grande Punto Abarth ist 2007 das erste Sportmodell, seit 2008 – zum 100. Geburtstag von Carlo Abarth –steht der Abarth 500 S bei ausgewählten Händlern, für 2009 ist ein weiterer getunter 500er angekündigt: Der Fiat 500 SS wird über 200 PS verfügen und dank Mithilfe der Konzerntochter soll der Abarth-Motor dann genau so hoch drehen wie ein Ferrari V8-Motor (bis 8500/min).
Begonnen hat der Marketing-Feldzug übrigens im Officine Abarth in Turin, der alte Stammsitz wurde renoviert und in einen Vorzeige-Showroom umgewandelt.
An dem Beispiel Fiat soll deutlich gemacht werden, wie eine Marke durch Rückbesinnung auf sich selbst an Stärke zurückgewinnt: Für das Jahr 2007 verkündete Fiat, dass eine Umsatzsteigerung um 12,9 Prozent auf 58,8 Mrd. Euro stattgefunden hat. Dabei trug der Bereich Automobile mit 29 Mrd. Umsatz den größten Teil zu dem Erfolg der Gesamtgruppe bei. Eine Marke wird durch ihre Geschichte zukunftsfähig gemacht. Abarth ist nur das Tüpfelchen auf dem i, aber zeigt, welche Schätze im Archiv verborgen liegen.
Die „neu“ gewonnene Attraktivität zeigt sich auch an ganz anderen Stellen: Für die Recherche fragte ich direkt bei Fiat am Empfangstresen, ob es Unterlagen zur Historie der Marke gibt: Die freundliche Dame antwortete, dass sie jahrelang Hochglanzbände zur Marke Fiat bereit gehalten hätten, wegen Desinteresse hätte man sie irgendwann entsorgt – jetzt mehren sich auf einmal die Anfragen nach der Marke und sie kann nur noch mit aktuellen Modell- und Werbekatalogen aufwarten.
Selbstähnlichkeit am Beispiel Fiat-Kleinwagen – Fiat Abarth anno 2008:
Auf Basis des neuen 500ers: Der Fiat Abarth Assetto Corse mit dem markentypischen rot-weißen Schachbrett-Muster auf dem Dach und viel Feuer darunter (200 PS). Mit diesem Fahrzeug will Fiat ab 2009 auf die Rennstrecken zurückkehren. Quelle:http://www.speedheads.de/auto/news/ fiat_500_abarth_assetto_corse_giftig_wie_ein_skorpion-51488.html)